Charlottes Sprüche – zum 85. Geburtstag

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Aus gegebenem Anlass sagte Charlotte

Die Sprüche ihrer besonderen Art

Herausgegeben von Ehemann Pepo
und
von ihm den geladenen Gästen vorgelesen
am 30. Mai 1997,
zu ihrem 85. Geburtstag

Perspektive

Aus Anlass gewisser Beschwernisse sagt sie: „Ich möchte als Schmetterling durch den Rest meines Lebens flattern.“

Morgendliches

Anlässlich zögerlichen Aufstehens frage ich sie: „Charlotte, was hältst du davon, wenn ich jetzt  Wasser für Frühstücksgetränke aufsetze?“ Sagt sie: „Peter, das ist eine Entscheidung, die Folgen für ganz Europa haben wird.“

Der Anlass ist immer derselbe: ich wacher als sie: „Du bist so mit Muskeln aufgeladen – und ich schlafe noch.“

Wer sie anlässlich des Frühstücks etwas fragte, musste mit der Antwort rechnen:  „Das musst du mich fragen, wenn ich immateriell bin.“

Aus Anlass von zu viel Wasser auf zu wenig Kaffe sagt sie: „Das ist eine abgelabberte Inflation!“

Anlässlich morgendlicher Griffe meinerseits an ihr Knie, beim ersten Frühstück im Schlafzimmer, sagt sie: „Ein Knie ist ein Planet.“

Anlässlich Zweifel beim Frühstücksgetränk sagt sie: „Man kann Kaffee trinken, oder Tee, aber Beides hat hinten am Schwanz einen Widerhaken.“

Anlässlich eines Frühstücks will sie Brot geröstet. Ich frage, wie viel. Sagt sie: „Ich würde zwei rösten, ich würde da nicht so rummagern.“

Aus Anlass des ersten Frühstücks frage ich sie, ob sie Kandis in den Tee haben möchte. Sagt sie: „Du stellst zu hohe Ansprüche an mich am frühen Morgen. Da muss ich ja Ja oder Nein sagen.“

Anlässlich von Hygiene-Diskussionen sagt sie: „Ich putze mir immer morgens gleich die Zähne. Die Schweine sind die anderen.“

Planungen

Anlässlich konjunktivistischer Pläne sagt sie: „Wenn ich heute fleißig wäre, hätte ich viel zu tun.“

Anlässlich von Plänen in die Zukunft sagt sie: „An meinem nächsten 80. Geburtstag.“

Aus Anlass schöner Planungen sagt sie: „Wir wollen tätig sein, arbeiten – du an deinen Dingen, ich an meinem Furiosum.“

Aus Anlass zu erwartender Rombesucher, die stets mit Würstchen empfangen werden, frage ich sie auf der Heimfahrt aus Hamburg: „Holst du schon die Würstchen aus dem Eisschrank?“ Ich meine: im Geiste. Sagt sie: „Das habe ich gestern schon gemacht.“

Anlässlich häuslicher Dispositionen sagt sie zu mir: „Lass die Betten jetzt. Die machst du nachher, wenn du den Tisch deckst.“

Dimensionen des Marginalen

Aus Anlass kätzlichen Wohlbefindens sagt sie: „In meinem Herzen sitzt irgend ein Geist, der mich leise erwärmt.“

Aus Anlass aufgehender Mohnblüten sagt sie: „Lass uns das mal verlusten!“

Anlässlich häuslicher Behaglichkeit sagt sie einmal auf den untersten Treppenstufen hockend: „Ich weiß nicht, warum ich in diesem Hause sitze und nicht in der Armenanstalt.”  Und aus ähnlichem Anlass ein anderes Mal: „Du bist ein so unordentlicher Mensch – ich verstehe nicht, warum wir in diesem Hause wohnen? …“

Aus Anlass vergangener Ärgerlichkeiten sagt sie: „Emotional geladene Asche.“

Anlässlich großer Unordnung spricht sie von einem „gekippten Ameisenhaufen“.

Anlässlich des Verzehrs einer Birne sagt sie: „Die schmeckt wie ein ungelüfteter Schrank.“

Aus eindeutig gegebenem Anlass sagt sie: „Weil die Umstände so sind, wie sie sind, sind sie so.“

Aus Anlass fragwürdiger Werbung, die sie betrachtet, sagt sie: “Alles Lügner und So-Tuer-als-Ob-er!“

Anlässlich temporaler Unsicherheit fragt sie: “Ist heute Samstag oder Sonntag?“ Ich muss antworten: „Freitag.“

Das liegt lange zurück: Der Knabe Thomas hatte in Babelsberg Schwierigkeiten mit einem Altersgenossen, fühlte sich ganz ungerecht behandelt. Charlotte eilt empört zum Vater des Kontrahenten und macht ihm heftige Vorwürfe über das Verhalten des Sohns. Der Mann reagiert nicht, weil er – was Charlotte nicht wusste – taub war; das macht sie noch zorniger. Sie schleudert ihm die gröbste Beschimpfungen ins Gesicht, die ihr aus diesem Anlass einfällt, wobei sie aber trotz allen Zorns darauf achtet, keine justitiable Verbalinjurie loszulassen: „Sie – Sie – Sie sind ein Adonis, sind Sie!!!“

Aus Anlass ihrer Unfähigkeit, Demoliertes, Beschädigtes in den Müll zu tun, kommt sie auf wunderbare Wiederverwendungsgedanken: „Man sollte dieses kleine Brett nicht wegschmeißen. Man könnte es noch benutzen, um mit dem Hammer Kolophonium darauf zu zertrümmern.“

An einem 19. Mai sagt sie: “Ich habe jetzt schon Abschiedsschmerz vom Mai.“

Anlässlich allgemeiner Weltzustände sagt sie: „Es ist ja erstaunlich, wie das Negative einen ungeheuren Fraß hat.“

Anlässlich Einkaufens bei Dallmayr sagt sie: „Wir müssen noch zum Gegenteil.“ Damit meint sie Woolworth.

Aus Anlass der Geburtstagsvorbereitungen zu ihrem 80. sagt sie: „Denke ich an meinen Geburtstag, möchte ich mich übergeben, wenn ich was im Magen hätte.“

Anlässlich vieler familiärer Beteuerungen, sie habe an ihrem 85. Geburtstag gar nichts anderes zu tun, als sich feiern zu lassen, sagt sie: „Ich muss alles tun, damit ihr mich feiern könnt.“

Anlässlich topographischer Unsicherheit fragt sie: „Wo fahren wir heute hin?“  Ich sage: „Nach Sommerhausen.“ Sagt sie: „Und wo waren wir mal?“

Anlässlich des Kaufs eines indischen Elefanten sagt sie: „Wir rauchen nicht, wir saufen nicht, wir fressen nicht, – warum sollten wir uns da nicht einen indischen Elefanten kaufen?“

Aus gegebenem Anlass sagt sie: „Nachsuchen um Audienzen beim lieben Gott.“

Errata

Anlässlich eines Versprechers in meinem Gebetstext lacht sie. Wieso?, da sie doch sonst eher ärgerlich über dergleichen wird. Weil sie selber statt „Amen“ beinahe „Gesegnete Mahlzeit“ gesagt hätte.

Anlässlich des angelsächsischen Terminus trouble-shooter sagt sie: „Schwabbel-Schuster.“

Aus Anlass einigen Nachdenkens sagt sie: „Ich habe soeben einen Entschluss gefasst, der sich gewackelt hat.“

Aus Anlass eines Unwohlgestimmtseins frage ich sie, ob ich ihr drei Liebeserklärungen von ihr vorlesen darf; sagt sie: „Nein, lass das, da muss ich mich geirrt haben.“

Anlässlich unserer Überfahrt nach Sardinien sagt sie, als weitab von allen Küsten eine fast unverständliche noch dazu italienische Durchsage durch den Lautsprecher quäkt: „Kann man hier irgendwo umsteigen?“

Anlässlich eines Konzert-Besuchs in Meran sagt sie apodiktisch: „Ich werde nicht applaudieren.“ Ich schaue sie sehr verwundert an. Sagt sie: „Das ist mir zu anstrengend.“ Sie war dann die Letzte, die die Hände nach dem Schlussapplaus senkte.

Anlässlich eines etwas komplizierten Missverständnisses beklagt sie sich, dass ich ihr Vorwürfe mache. Ich bin etwas konsterniert: „Ich mache dir doch gar keine Vorwürfe!“ Sagt sie: „Ich weiß, dass ich gelogen habe.“

Aus Aufräumungsanlass gibt sie mir ein Handtuch. „Tu das da hin, wo es hingehört.“ Ich frage: „Wo gehört es denn hin?“ Sagt sie: „Det weeß ich ooch nich.“

Aus drängendem Anlass sagt sie statt Eisenbahn: „Das war aber allerhöchste Eisenzeit.“

Aus gegebenem Anlass sagt sie: „Fang du mal nicht an, an mir herumzukritisieren  –  ich bin bon marché.“

Viele Ansprachen an den Herausgeber

Aus Anlass meiner Leichtbeweglichkeit sagt sie: „Du bist ein Wunderwerk an geschmeidiger Stabilität.“

Sage ich zu Charlotte, sie benehme sich, wie ein neunjähriges Mädchen, höchstens 9 ½, sagt sie aus solchem Anlass: „Pass auf, dass du nicht wegen Verführung Minderjähriger belangt wirst.”

Ob das von ihr stammt, weiß ich nicht: „Du bist ein gescheutes Sal.“

Ein weiterer Anlass, mit mir fertig zu werden: „Dein Wesen ist wie aggressive Samt und Seide.“

Anlässlich Gestörtseins durch irgendwelche kritischen Bemerkungen von mir sagt sie: „Ich sitze hier am Tisch und du wartest mit einer negativen Vogelscheuche auf!“

Anlässlich einiger Nervosität sagt sie zu mir: „Du mit deinen Nerven im Rückstand!“

Aus gegebenem Anlass spricht sie von meiner „Breitwandpräsenz“.

Anlässlich Zwangsgefühlen mir gegenüber sagt sie: „Du diktatierst mir!“

Aus Anlass gewisser Bemerkungen von mir mahnt sie: „Das hast du mit lachendem Gesicht gesagt, aber unten im Bauch lag der Ernst.“

Anlässlich eines oder mehrerer Blicke in meine Augen sagte sie vor sehr langer Zeit: „Vergissmeinnicht in Buttermilch.“ Jahrzehnte später sagt sie: „Verblasste Vergissmeinnicht in Buttermilch.“

Anlässlich sanfter Heilung sagt sie: „Du bist für mich, was für einen angeschlagenen Magen frühmorgens Haferflocken in Wasser gekocht sind.“

Anlässlich gewisser Nöte sagt sie: „Es ist nur gut, dass du ein Humorknecht bist.“

Aus Anlass gewisser widersprüchlicher Einschätzungen kam es sogar zu einem Reim:

„Du bist ein Zuverlässigkeitspaket ,

aber auch ein Gefühlsprolet.“

Aus Anlass ähnlicher Widersprüchlichkeiten sagt sie: „Du bist ein so undramatischer Mensch – Gott sei Dank! Gott sei Dank! -, dass du andauernd was an die Wand ölen musst.“

Aus Anlass ihr lästiger Verhaltensvorschriften sagt sie: „Lass mich in mich hineindampfen.“

Anlässlich gewisser Tendenzen von mir, anerkannt zu werden, sagt sie: „Alter Lobgier!“

Aus Anlass einer gewissen Teilnahmslosigkeit von mir sagt sie: „Nick mal nicht so bequem in deinem Gehirn!“

Anlässlich unseres An- und Umbaus hatte ich die Bücher neu einzuordnen. Ich frage Charlotte, ob sie dazu irgendwelche Kriterien wüsste, da sagt sie: „Pass mal auf: Ordne mal die Bücher ein, wie du das für richtig hältst. Und wenn ich dann mal was suche und nicht finde, dann schimpfe ich.“

Anlässlich eines Gesprächs, in dem ich wohl nicht sehr sensibel reagierte, sagte sie: „Du sollst mich nicht immer so herrschsüchtig durch die Gegend pfeffern!“

Welchen Anlass mag es gegeben haben, von mir zu sagen?: „Du bist ein großer humaner Lügner!“

Anlässlich eines Stoßseufzers sagt sie: “Dass ich meine Not an die Wand deines Körpers schmeißen kann…!“

Repliken

Anlässlich Wiegens sage ich: „Du wiegst anderthalb Kilo mehr als ich.“ Prompt sagt sie: „Ich bin ja auch zehn Jahre älter als du!“

Anlässlich nächtlicher Unruhe sagt sie: „Das ist keine Nacht!“ Frage ich: „Was ist es denn?“ Sagt sie: „Gehacktes.“

Am Morgen frage ich sie: „Gehen wir denn nun zum Arzt oder nicht?“ Aus Zweifels Anlass sagt sie: „Ich befinde mich auf einer Schaukel.“

Aus gegebenem Anlass fragt sie am frühen Morgen: „Wenn Herr Ziesler heute käme, was sollte der denn dann machen?“ Herr Ziesler ist unser Mann für den Garten. Ich frage dagegen: „Was soll er morgen machen?“ Sagt sie: „Da hätte ich 24 Stunden Zeit, um darüber nachzudenken.“

Aus Anlass eines ihr hinterher überflüssig erscheinenden Halskettenerwerbs im schönen Edelsteinladen in Schliersee sagt sie zu Ihm: „Verzeih, dass ich so habgierig war.“ Antwortet Er in ihr (persona): „Ich habe die Dinge ja gemacht, damit ihr sie liebt.“

Amor, Eros etc., auch die kleinen Schattenseiten

Aus Anlass tiefen Einsteigens sagt sie den Ur-Satz: „Wir dürfen eine Liebe leben.“

Aus Anlass freundlicher Retrospektive sagt sie: „Ich will sie alle haben, die auf so wunderbare Weise um mich versammelt waren. Es war kein Kindergarten, es war ein Menschengarten.“

Aus gegebenem Anlass sagt sie sich aus über uns beide: „Gib mir deinen Rücken. Ich möchte von deiner unempfindlichen Kraft profitieren.“

Stoßseufzer anlässlich liebevoller Aktivitäten: „Ihr seid alle so verwöhnt durch meine seelischen Spendierhosen.“

Anlässlich der Sorge, Damen könnten sich zu auffällig um den Witwer kümmern, sagt sie: „Denen werde ich aus dem Jenseits meine Krallen zeigen.“

Anlässlich eines Sonntags fragt sie: „Wen rufen wir an?“ Ich frage zurück: „Müssen wir wen anrufen?“ Sagt sie: „Müssen wir nicht. Aber wir könnten eine Menschenpflege betreiben.“

Anlässlich der ungebrochenen Kontinuität ihres sinnlichen Begehrens findet sie die Überschrift über ihrer Existenz: „Ich bin eine böhmische Ursuppe.“

Selbsteinschätzungen

Anlässlich Altersbedenken, vor allem des nachlassenden Gedächtnisses, sagt sie: „Das Farbband auf meiner Schreibmaschine wird alt und druckt nicht mehr richtig, die Schrift verblasst…“

Aus Anlass depressiver Neigungen sagt sie: „Es morscht alles auseinander.“

Anlässlich einigen Zorns sagt sie: „Mein Schimpfen hat mit meiner Explosionskraft zu tun.“

Aus Anlass gewisser Veränderungen sagt sie: „Bei mir hat sich der Rundhorizont verschoben. Ich habe eine völlig andere Dekoration in meinem Gehirn.“

Anlässlich seelischen Unwohlseins sagt sie: „Ich habe einen Bauchgeist.“

Anlässlich kommunikativer Erwägungen sagt sie: „Ich hatte eine Neigung, immer alle zu bewundern. Das tue ich jetzt nicht mehr. Ich bewundere mich!“

Aus Anlass von Erinnerungsbefall spricht sie von vielen schmerzhaften Erlebnissen. Ich wende ein, dass es doch auch viele freundliche Erinnerungen gibt. Sagt sie: „Die schmerzen doch auch.“

Aus gegebenem Anlass sagt sie: „Ich bin eine sehr billige Frau.“ Ich bekräftige: „Ja, Charlotte, das stimmt!“ Sagt sie: „Das muss anders werden.“

Aus Anlass gewisser kleiner Einsamkeitsgefühle sagt sie: „Gibt es jemanden, der mich eigentlich anrufen müsste?“

Aus Anlass unachtsamen Umgehens mit zerbrechlichen Behältnissen sagt sie: „Ich hatte eine Clairvoyance: Ich weiß jetzt, warum ich so empfindlich bin, wenn Mitmenschen mit Porzellan oder Glas nicht achtsam umgehen. Es ist meine Herkunft: Tochter eines Glasmachers, der ein Einweckglas, das er aus dem Keller geholt hatte, mit solcher Behutsamkeit auf den Tisch stellte.“

Anlässlich eigener Erkenntnisfragen bekennt sie: „Die Grundlagen des Abenteuers sind bei mir stabil.“

Aus gegebenem Anlass sagt sie: „Ich bin zu klug, um dumm zu sein.“

Anlässlich Wartens auf einen säumigen Handwerker geht sie Einkaufen: „Ich muss mich hüten, auf ihn zu warten.“

Anlässlich einer etwas schrecklichen Werbe-Beschreibung von Reformkost – es geht um „Tomatenecken“ – sagt sie: „Tomatenecken gehen mir zu den Ohren rein und tun mir auf den Zähnen weh.“

Anlässlich guter Verfassung sagt sie: „Eine leichte Decke von Glanz.“

Anlässlich innerer Drangsale sagt sie: „Ich bin so, dass ich nicht weiß, wie ich bin.“

Anlässlich eines Gesprächs über die Schwierigkeiten im Umgang mit anderen Menschen sagt sie selbsterkennerisch: „Die beißen bei mir auch auf eine harte Brotrinde.“

Anlässlich guter Verfassung sagt sie: „Rund um die Uhr gut geölt.“

Anlässlich mancher innerer Not sagt sie: „Meine Seele ist entzündet.“

Aus gegebenem Anlass sagt sie: „Ich habe mir mein Leben zusammengebetet.“

Aus Anlass einer Rekonvaleszenz sagt sie: „Ich denke an rosa Frottee. Und wenn man an rosa Frottee denkt, kann das nur sein, weil es einem besser geht.“

Meteorologisches

Aus Anlass eines Sommersonnenwärmeaufenthalts auf dem Balkon – und ich will saugen – sagt sie: „Sauge mal jetzt nicht. Saugen kannst du auch im Winter.“

Anlässlich eines Spaziergangs in der Schneekälte sagt sie: „Wir machen einen Prisma-Spaziergang.“

Anlässlich unserer Osterferien in La Madrague sagt sie: „Das Klima ist wie Öl auf eine rissige Haut.“

Anlässlich kleinen Ausgehens frage ich: „Brauche ich eine Krawatte?“ Sagt sie: „Bei dem Wetter nicht.“

Anlässlich meiner Frage, ob wir mal beim Essengehen den Griechen ausprobieren wollen, sagt sie: „Nein, da muss das Wetter gut sein, wenn wir das machen.“ – „Wieso das denn?“ frage ich. Sagt sie: „Ja, wenn das irgendwie schief geht, und wir gehen raus, und es scheint die Sonne, dann ist das nicht so schlimm.“

Die weniger lieben Liebeserklärungen

Anlässlich ihr lästig erscheinender verbaler Argumentationen sagt sie: „Was du zusammenredest! … Du sagst dauernd, du musst saugen! Und dabei drückst du auch noch die Knie durch!“

Anlässlich deplacierter Witzchen von mir sagt sie: „Sei nicht so albern! Du hättest Opernbuffo bleiben sollen!“

Anlässlich der Entdeckung eines kleinen Haarbüschels auf meiner Nase sagt sie: „Ich will nicht einen Mann neben mir liegen haben, der sich auf der Nase einen Pelzmantel wachsen lässt.“

Anlässlich Abhängigkeitsüberlegungen sagt sie: “Zwinge mich nicht, dir aus der Hand zu fressen.“ Oder auch: „Du diktatierst mich.“

Aus Anlass von als Nötigung empfundenen Äußerungen von mir sagt sie: “Du deckst immer mit deinem Hammer mein Gehirn alles zu, lässt mir gar keine kleine Pflanzen mehr wachsen.“

Anlässlich Kritik an meiner plakativen Redeweise, die wenig einfühlsam sein mag, sagt sie: “Du kannst der Fülle meiner Seelenkurven gar nicht folgen. Du quatschtst sie kaputt.“

Aus Anlass flüchtigen Ärgers sagt sie: “Ich bin lauter dummen Männern verheiratet.“

Übergang von den weniger lieben Liebeserklärungen zu den lieben Liebeserklärungen

Anlässlich gewisser Heftigkeiten bitte ich um freundlichere Töne. Das löscht die Heftigkeit nicht, aber sie spendet den barschen Trost: „Ich lieben dich. Das reicht.“

Die lieben Liebeserklärungen

Aus Anlass von Wohlgestimmtsein sagt sie zu mir: „Du ölst mich ein mit ironischem Balsam.“

Aus gegebenem Anlass sagt sie: “Wenn du nicht da bist, das ist als wenn der Ofen aus ist.“

Anlässlich Erwägungen zu meinem Schreiben benutzt sie das Wort „Heilig“.

Anlässlich Liegens im Ehebett sagt sie: “Ich habe meine Liebe gleich nebenan.“

Anlässlich schmerzlindernder Aktivitäten von mir sagt sie: “Du bist am Lebensende meine Mutter, die ich am Lebensanfang nicht gehabt habe.” (Ihre Mutter starb 1915, als sie 3 Jahre alt war.)

Anlässlich guter Einwirkungen sagt sie: “Psychisch bist du meine Hamamelis.“

Aus Liebesanlass sagt sie: “Du mein Herz, auf das ich gebettet bin.“ Oder auch: „Ach du mein Herz, mein dickes Herz.“ Oder auch: “Du bist mein lieblicher Herzensschatz.“

Anlässlich Einschlafens durch Schmiegen an meinen Rücken – wir nennen das aus unerfindlichen Gründen ‚Cello‘ oder aus etwas verständlicheren Gründen ‚Klagemauer‘ – sagt sie beim Aufwachen: „Dein Rücken ist ein Wunderwerk.“

Aus gegebenem Anlass sagt sie: “Wir hatten heute Nacht ein Herz-an-Herz-Gespräch.“

Eine Liebeserklärung kleidet sie in folgende Worte: „Du bist Aspirin, du bist mein Kytta-Balsam, du bist mein Obstessig, du bist mein geliebtes Herz.“

Einschub

Hier erlaubt sich der Herausgeber eine seinerseitige Liebeserklärung: „Ich brauche dich. Nichtchaotisch bin ich selber.“

Fortsetzung der lieben Liebeserklärungen

Aus gegebenem Anlass sagt sie: “Deine poetische Landschaft ist der Boden, auf dem ich meine Seele placiert habe.“

Anlässlich eines Streits ging Charlotte allein zur Großhesseloher Brücke. Ich konnte nicht folgen, weil der Maler im Hause war. Als sie zurückkam, sagte sie: “Deine geschmeidige vorhandene Person war bei meiner Rückkehr für mich wie eine beruhigende Wundertüte.“

Aus Anlass meiner Frage, warum sie denn lache, sagt sie: “Ich lache, weil ich dich liebe.“

Religion

Anlässlich Sinnierens über ein Bibelwort verwandelt sie es durch ihren Eigennamen in die persönliche Ansprache: „Ich habe dich bei deinem Namen gerufen, Charlotte, du bist mein.“

© Charlotte