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Allererste handschriftliche Aufzeichnungen zur Folge
“Einsamkeit”
(Folge 14)
von
Peter Podehl
©
Abschrift
von
SpencerEnkel Jannik Graf
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Unfrisierte Einsamkeit
26.06. [1980]
Aus dem Nichts, ein letztes Mal in diesem Jahr. Thema: Gemeinsamkeit – Einsamkeit. Merwürdigerweise steht im Entwurf umgekehrt: Einsamkeit – Gemeinsamkeit. Und dann die kargen Bemerkungen: „Nepomuks große Stunde, aber auch die der Quietschbeus und der Zwillinge. Geschwister. Schreckliche, schöne Ruhe – schreckliches, schönes Durcheinander.“ Damit kann ich die Themenliste wieder vergraben. Zum Glück fand ich an der Themenliste noch einen schönen Zettel picken: „Wer mit jemandem über Einsamkeit reden kann, ist nicht einsam.“
Der enge Terminplan lautet: 5 Vormittage Do., Fr., Sa., So., Mon.; Ausfall Di. (Paetow hier), Mi. (Bodensee); 3 Vormittage Do., Fr., Sa.; Tippen: So.
Ich suche die Möglichkeit, aus der Musik der Quietschbeus eine Menge zu gewinnen. Es kann weder einen Beatle, noch einen Quietschbeu geben. Und ich habe schon vor langer Zeit notiert: „Einmal eine Folge mit einem ewig nachklappernden Quietschbeu.“ Und später: „Einem Zwilling geht es genauso. Beide suchen Einsamkeit, finden sie, treffen sich in ihr und verlieren sie also wieder.“ Das halte ich doch für einen recht ausbaufähigen Plot. Bis hin zu einer Liebesgeschichte zwischen Kosima und I, II oder III.
Nun will ich erst einmal eine Wehrle-Eggers-Liste machen. Einsamkeit suchen – in sie gestoßen werden.
27.06. [1980]
Der letzte Satz, gestern während der Gymnastik nieder geschrieben. Das ist ja in der Tat einige Überlegungen wert.
Und dann noch etwas: Die obere Quartett-Reihe unserer Spencer-Familie sind eigentlich lauter zur Einsamkeit neigende Typen. Nur die Quietschbeus und die Zwillinge machen da Ausnahmen. Auch Elvis dürfte mit der Einsamkeit recht gut zurecht kommen. Man sollte Augenmerk darauf haben, was sich alles täte und ergäbe, wenn sie diese Rollen zu tauschen versuchen.
Die Frage also, ob ausbrechender Quietschbeu und ausbrechender Zwilling da nicht beachtliche Verschiebungen zustandebringen: Kasi als Ersatz für den dritten Quietschbeu, Nepomuk als zweiter Zwilling. Poldi, der in eine Gemeinschaft ja nur aufgenommen werden könnte, wenn er seinem ewigen „Ich will dir fressen“ abschwört. Ein Reiz läge gewiss darin, dass sie zunächst alle eifrig wollen, aber dann misslingt es, etwas anderes sein zu wollen, als man ist. Beziehungsweise nicht wollen, dann geht’s einigermaßen. Ich wittere da auch einige schöne Poesie.
In dieser Folge vermeiden: Massenszene am Schluss; zu viel „Ich will dir fressen“; Kasi, der zu allen geht; Quietschbeus, die zu allen gehen; Galaktika am Ende.
Hingegen Wert legen auf: „Elvis’ Ordnungsapparat; Kasis Baumhaus (ist aber in Aufräumen ganz schön drin); Elvis’ Kakteen; größere Nöte Spencer; Präzisierung Teufelchen.
Was gibt es her, wenn man zu Anfang in alle „Gehäuse“ schaut, in dem Thema entsprechende Situationen? Verwechselt das Bäumchen-Paarungen. Tierfänger in Afrika müssen ähnliche Erlebnisse haben wie ich jetzt: So ein Tier von story halten, bändigen, formen, aufbereiten, versenden, fassen.
Ich grüble über Titel, Überschrift, Einsamkeit – Gemeinsamkeit, das ist doch auch arg trocken zu annoncieren. Und es fragt sich, ob man überhaupt bei diesem Thema bleibt, ob das freilich nicht aussprechbare „Paarungen“ nicht viel besser ist. Aber auf der Suche nach dem, was Spencer am Anfang verkündet, kommt man vielleicht auch weiter. Also:
Heute sprechen wir über
Gemeinsame Einsamkeit – nein: einsame Gemeinsamkeit…
Allein – zusammen…
Puppen-Gruppen… (geht nicht, weil Puppen nicht von sich als Puppen sprechen).
(Wenn aus einer Dreier-Gruppe einer ausbricht oder ausgestoßen wird, ist es eine Zweier-Gruppe; wenn da ähnliches passiert, ist es keine Gruppe mehr.)
Der Eine und die Vielen…
Gruppen und Grüppchen und Grüppelchen…
Ärger mit Gruppen.
Groupie?
Gruppierungen.
Elvis müsste eigentlich ganz schön geschafft werden können mit der Registrierung der immer neu entstehenden Gruppierungen beziehungsweise Löschung der alten.
Spencer will natürlich bestehende Gruppen und Gruppierungen vorführen und wird ähnlich wie Elvis davon geschafft, dass die sich immerzu neu formieren und ändern. Wenn er anfinge mit den Quietschbeus. Vielleicht stellt er sich auch vor, dass er es heute leicht hat, weil er nur Lied für Lied der Quietschbeus aufzusagen hat. Dort kommt es zum Eklat. „Ham ja noch mehr Gruppen, so ist das ja nicht.“ Zwillinge, auch dort kommt es zum Eklat. Er wird in Nöte kommen, wie zwei Quietschbeus plus Nepi anzusagen wären, oder ein Quietschbeu und ein Zwilling. Elvis könnte hier auch mal ausbrechen, sich den Wind der Welt (Worpswede) um die Nase wehen lassen. Spencer wäre dann ohne Elvis aufgeschmissen.
Quietschbeu III und Zwilling könnten an der Kreuzung (Kreuzweg) aufeinandertreffen. Wäre vermutlich Szene 3. Er von rechts, sie von links. Beide nach hinten weggehen.
Es könnte ein heftiges Gerauf um den verwaisten Platz des ausgebrochenen dritten Quietschbeu geben. Alle glauben, singen-Quietschbeu zu können. Und ob Kasi nicht der zweite Zwilling werden will, zunächst herzlich bewillkommnet, aber bald als lästig empfunden? Das wäre die vierte oder fünfte Szene. Die andere wäre die beiden Quietschbeus.
Irgendwo müsste die neue Kommunikation so gut klappen, dass es Schwierigkeiten macht, die alte wiederherzustellen. Hier ließe sich vielleicht auch gut einweben die Solidarität der Zerstrittenen angesichts der Bedrohung durch andere (Poldi). Quietschbeus müssten sich bei der Probe zu einem Song, der die Gruppe preist, so zerstreiten, dass einer flieht.
28.06. [1980]
Eben schrieb ich auf die Seite 5 das letzte Wort: Gruppierung. Das scheint ein weiterführendes Wort zu sein. Ob es Spencer in den Mund passt für den Anfang, scheint fraglich.
Lexi wird die Einsamkeit brauchen. Vielleicht mal den Mut haben, Lexi bei völlig unsensationeller Tätigkeit zu zeigen. Vielleicht mal versuchen, Lexis lexiklopädische Tätigkeit etwas tiefgreifender in die Handlung einzubinden.
Es geht ja wohl los mit den Quietschbeus, die einen Song haben, s.o., III macht da im Refrain jedesmal was falsch und es entsteht der Konflikt, könnte auch in der Choreographie liegen.
Lasst mich nochmal über Gruppierungen nachdenken. Da ist einmal der Gegensatz Gruppe – Einzelwesen; da sind die Süchte und Animositäten: das Einzelwesen, das gerne zu einer Gruppe gehören würde (hauptsächlich wohl Kasi, vielleicht auch Poldi), oder dies verstohlen möchte (vielleicht Lexi), das Einzelwesen, das dies keineswegs möchte (Nepomuk, Elvis); die Gruppenwesen, die gern oder nicht gern Gruppenwesen sind. Dazu wollen wir den einen Quietschbeu ausbrechen lassen, ebenso Kosima. Für Spencers Weltbild gehören die bestehenden Gruppen zusammen, neue Gruppierungen würde er zum Zwecke der Sendung gerne schaffen, aber die pusten ihm was, die halten nicht. Neue Gruppierungen, die von sich aus entstehen, beeinträchtigen sein Konzept.
Zwei Hände sind eine Gruppe von Händen.
Elvis kommt immer nur zwischendurch, um die Kartei in Ordnung zu bringen. Er schafft es, Nepomuk zum zweiten Zwilling zu verordnen. Überhaupt muss die ganze Umstellerei dem „Ordnungsleiter“ Elvis die größten Schwierigkeiten machen. Aber wenn dann Elvis hingeht, haben die Quietschies wieder einen anderen Partner in die Gruppe aufgenommen. Elvis und Spencer sind ja im Grunde auch eine Gruppe.
„Ja, geh mal hin, der ist ganz alleine, weil ich ihn nämlich verlassen habe.“
Zwillinge. Tosima will etwas nach Methode eins machen, Kosima nach Methode zwei. Streit. Kosima geht. Tosima macht’s nach Methode zwei.
Ein einsamer Quietschbeu an der Kreuzung:
Standfotografie zu Einsamkeit
September 1980.
29.06. [1980]
Einsamer Zwilling, einsamer Quietschbeu – Widersprüche in sich.
Kasi will gar nicht mehr Kasi heißen, sondern Kosima oder Quietschbeu. Identitätsprobleme.
Wenn man diesen Vorwurf gut aufzäumt, kommt etwas wie „Was ihr wollt“ zustande. „Ein zu verschlungener Knoten ist’s für mich…“
Wie schwer wird die Versöhnung, wenn man sich getrennt hat, wenn gar neue Konstellationen entstanden sind!
Es sollte jetzt mal ein Check der Konstellationsmöglichkeiten passieren: In Szene 1 bricht Quietschbeu III aus. I und II haben größte Schwierigkeiten, die Quietschbeus zu sein und zu bleiben. Diese neue dezimierte Gruppierung ist ein Schlag in Spencers Kontor. Er könnte herum visophonieren nach Ersätzen, Elvis könnte sich anbieten oder gleich gehen oder von Spencer zurück gehalten werden. Check, wer in Frage käme, beziehungsweise, wie Angesprochene reagieren: Beachten, dass vielleicht der, von dem sie es am ehesten erwarten, abwinkt, und umgekehrt. Also Kasi winkt ab, Lexi und/oder Nepomuk wären bereit – „Da brauchst du gar nicht erst anzukucken.“ – ? – „Naja, ein Visophon ist doch ein Kuckapparat, kannst du doch nicht anrufen sagen!“; und ist besser, dann werden’s nämlich vier! Vielleicht will dann erst Elvis auch, dann wären’s fünf! Einer, der immer dem anderen fressen will, scheidet aus.
Frage, ob dies schon in Moderation zwei passieren soll. Aber warum nicht. Oder doch in Moderation drei; hier erst mal zu den Zwillingen. Jetzt wird nämlich nicht nur nach einem neuen Quietschbeu gefahndet, sondern auch nach einem neuen Zwilling. („Mensch, ich seh dem doch gar nicht ähnlich, überleg doch mal!“) Das hilft zur Verwirrung. Bereitschaft zu neuen Rollen (Identifikationen) ist meist oder sehr oft im Menschen vorhanden.
Bei alledem wird Elvis’ Karteiapparat heftig strapaziert.
Galaktika als dritter Quietschbeu ist natürlich eine hinreißende Vorstellung.
Es bleibt dringend zu erfinden der Plot, der die Zwillinge auseinanderbringt, den Tosima doch so macht, wie Kosima wollte, während Kasi, der vielleicht am Anfang kurz dabei war („Wie würdest du es denn machen?“ – „Neenee, ich will’s mit keiner von euch verderben.“ Abgang Kasi), ihn so machen will, wie Tosima wollte, ganz erstaunt ist, dass sie es jetzt anders will, weshalb die neue Paarung schlecht bis gar nicht funktioniert.
Achtung!: gut! Mal durchdenken, ob nicht eine Möbelstellung und -verschiebung sowohl einfach als auch wirksam wäre! Sehr sehr logische Argumente von beiden Seiten. Da stößt immer eine aufgehende Tür ran. „Wenn man raus will, schiebt man’s eben weg.“ – „Und wenn man rein will`“ – „Dann ist es ja weggeschoben vom Rausgehen.“ – „Und wenn der eine drin ist, der andere draußen?“ Viel Stoßen mit „Aua“ dabei. „Dann weiß ich immer, wenn du kommst.“ – ? – „Wenn du Aua sagst.“
Linie Kasi: Von Elvis/Spencer als idealer Quietschbeu-Ersatz gedacht, tendiert mehr zum Zwilling-Ersatz, wo es jedoch nicht so gut geht, wie er sich das vorgestellt hat, sodass er nun auf das Quietschbeu-Angebot zurückkommen möchte, das jedoch nicht mehr für ihn akut ist.
Gut!
Ob das alles mit so wenigen Szenen zu machen ist, sei dahingestellt.
Bis jetzt völlig ausgespart ist Poldi. Zu ihm fällt mir etwas vielleicht Reizvolles ein: Er geht diesmal nicht als „Ich will dir fressen“-Figur durch die Sendung, sondern wird gefragt bis beschuldigt, ob er ihr (Kosima) oder ihm (III) gefressen habe, da beide nicht aufzufinden sind. Ein Rülps Poldis könnte da schreckliche Verdächte aufkommen lassen, die erst durch das Auftauchen der beiden auszuräumen wären. Scheint mir im Augenblick gut.
Auch die Vorstellung, dass man die beiden nach Szene 4 sucht – Spencer weiß nicht, wohin er visophonieren soll – könnte Handlung bedeuten.
Wo findet man sie denn dann? Im Schloss Nepomuk innen. Diese Kombination sollte jedoch wegen ihrer offensichtlichen Passendheit nicht klappen. Reprise: Möbelumstellung geht auch hier nicht. III handelt wie Tosima. Gut!
Es bleibt die Frage, welche Kombination einigermaßen klappt, und mir kommt der absurde Gedanke, ob nicht Lexi und Nepomuk Zwillinge werden könnten?! Die beiden müssten aber vorher als Quietschbeus versagt haben. Da ist inzwischen Elvis gelandet und hängengeblieben.
30.06. [1980]
Heute müsste ich mit diesen Seiten fertig werden, morgen und Mittwoch in dezimierter Zeit zetteln, Do., Fr., Sa. schreiben, Mannomann, So. tippen.
Möbelstück am Ende schräg stellen: Zwillinge. Das kann nur Galaktika!
Nepomuk, von dem Spencer es am wenigsten erwartet hat, ist bereit, bei den Quietschbeus auszuhelfen. Vorher riefen sie Lexi an, der aus der Not helfen will, wenn kein anderer zusagt, aber nur dann. Als erstes wird Kasi gefragt, aber der will unerwarteterweise nicht. Elvis hält die Sache mit Nepomuk für Unsinn und geht selber hin. Auch Lexi hat das Abenteuer gelockt, sodass nun plötzlich 5 Quietschbeus da sind.
Es geht bei den Quietschbeus um etwas ebenso Simples wie bei den Zwillingen: Etwa Arme rechts – Arme links. Das scheint mir gut, wenn im Text was mit Oben-Unten-Rechts-Links vorkommt, und III immer rechts und links verwechselt, aber die Ersätze können das auch nicht. Der dirigierende Quietschbeu, der vor der Gruppe steht, mit dem Rücken zum Zuschauer, hat ein anderes Rechts-Links-Verständnis. Frage, ob hier nicht gleich Galaktika einspringen könnte. Und: alle neuen Kombinationen werden mit großer Euphorie begrüßt. Ein Fazit hieße auch: Es kann nicht Jeder Alles. Bleibt die Frage: Wie enden denn jeweils die nicht klappenden Gastspiele bei den Quietschbeus? Elvis muss Kakteen gießen, sehr gut. Ein Mann, der mitten im hohen C seine Kakteen gießen muss, hat in der Pop-Szene nichts verloren! Lexi müsste eigentlich betrübt sein, dass er nicht Alles kann. Er versucht’s auch am längsten (?). Nepomuk haut ziemlich bald ab, fast mit Götzens Zitat, oder wortlos. Differenzieren, wen die Quietschbeus lieber hätten, wen weniger gern: Kasi, aber der kommt ja gar nicht, dann Nepomuk, der wortlos geht, dann Elvis, der mit Begründung geht, am wenigsten Lexi, der am längsten bleibt (?). Frage, ob diese Reihenfolge gut ist: Ist es nicht schlimmer, Lexi bald wegzuschicken, während die anderen gehen und man dann Lexi doch gern hätte? Versuche, dass I und II als ganze Gruppe auftreten. Bei jedem Gehen, fünf, vier war sowieso zu viel, nicht gut. Sie haben ihren Ruf als Gruppe zu verlieren.
Wenn es mit Kasi bei Tosima nicht gut geht, hat das zur Folge, dass Tosima was Neues sucht oder die alte Kosima, sie nicht findet, zu Poldi kommt, und den Beweis verlangt, dass er Kosima nicht gefressen hat, desgleichen erscheinen I und II in Sachen III, dasselbe verlangend. Aber einer, der immer nur sagt „Ich will dir fressen“, wird es schwer haben, hier seine Unschuld zu beweisen. I, II und Tosima müssten mit Stöcken bewaffnet sein oder gar Peitschen wie Dompteure oder aber sie achten der Gefahr gar nicht. Und werden in die Flucht geschlagen.
Wie kommen III und Kosima in Nepomuks Schloss? Antwort: Hinter des Bildhauernden Rücken. Wäre schön, wenn’s hier regnete und gewitterte, was Nepo, dem Eigenbrötler, nichts ausmacht, den beiden anderen schon. Und vielleicht stößt sich schon gleich beim Reinkommen Kosima an dem Möbelstück. Innen die Seite 15 beschriebenen Schwierigkeiten. Außen wird Nepomuk von Tosima und I und II befragt, ob er sie gesehen habe: „Nein.“ Poldi hat sie also gefressen, Jammern von Tosima und I und II, sie kommen streitend raus. Das müsste doch eigentlich die große Auflösung bedeuten! Da singen die Quietschbeus auf Deubel (!) komm raus, dass Nepomuk ganz arbeitsunfähig wird. III haut mit dem Motorrad ab, was I und II drinnen hören, rausrennen, leere Szene. An der Kreuzung ist es (das Motorrad) Kosima zu laut. Sie gehen weg. Er lässt es stehen. Eventuell Zwischenszene, wie I und II das herrenlose [Motorrad] finden. Ließe sich aber eventuell vereinfachen, wenn III und Kosima fahren, es bei Nepomuk stehenlassen. Wehgeschrei. Nett, wenn Nepomuk doch gesehen hätte, dass die zwei rein sind, also Wehgeschrei abwürgte.
Es ist auf diesen Seiten eine recht beängstigende Fülle von Spielmöglichkeiten entstanden. Ich bin mir nur gar nicht so sicher, ob es genügend wirklich spielbare sind.
Ich versuche nochmal die Formulierung des Grundthemas: Menschen, auch Puppenfiguren sind eher Gemeinschaftswesen; es gibt auch viele sich Absondernde. Wer sich in der Gruppe stets wohlfühlte, kann dennoch eines Tages ausbrechen, wer sich in der Alleinsamkeit stets wohlfühlte, kann dennoch eines Tages Gemeinschaft einladend finden. Aber die Gewohnheit ist groß, neue Paarungen nur mühsam beieinanderzuhalten. Was mir noch nicht ganz schmeckt: Dass es an einem Beispiel fehlt, in dem das Neue sich durchsetzen kann. Am ehesten ließe sich das am „Zwillingspaar“ Lexi-Nepomuk exerzieren, die einander auf dem Hausboot sehr viel näher kommen, vor allem mehr und Besseres voneinander erfahren als in bisherigen Klischeevorstellungen. Schön wäre natürlich noch, fällt mir da eben ein, wenn sich Poldi an der Suche nach denen, die er gefressen haben soll, beteiligen würde, um den falschen Verdacht loszuwerden, den er auch loswird. Vielleicht nochmal die Schlusssituation der Einzelnen checken: Lexi und Nepomuk werden via Zwillinge Freunde. Kasi bleibt trotz aller Anstrengungen einsam, ein Hinterherläufer. Poldi: siehe Absatz vorher. Quietschbeus und Zwillinge gehen in die alten Gruppierungen zurück, die Galy ihnen schmackhaft macht: Galy könnte mit der Nase zum Publikum dirigieren. Ausgespart ist das Teufelchen, ich konnte mit der Figur nie was anfangen. Seine diabolus-ex-machina-Funktionen sind mir suspekt. Maiwald sagt „Einbläser“. Er könnte in Streit geraten mit der möbelstellungsändernden Galy. Er könnte bei den Quietschbeu-Proben viel Schabernack treiben. Wir werden ihn weiterstecken.
05.07. [1980]
Ging mir nicht sehr gut heute früh am Morgen. Die gestörte Physis brachte mühsam 3 Seiten zustande von 30, die ich heute mindestens schaffen sollte. Hatte (habe) noch kleine Zweifel, ob die Möbelschiebegeschichte insgesamt tragfähig ist.
Zur einsamen Tosima kommt Kasimir, er möchte gerne zweiter Zwilling sein. Tischstellungsprobleme und mangelnde Ähnlichkeit machen das unmöglich. Zwei Einsame solcher Prowienz machen noch kein Paar. Kasi geht. Lexi und Nepomuk, kurz nacheinander, wollen zweiter Zwilling sein. Tosima zurückhaltend. Annäherung Lexi-Nepomuk, Tosima fühlt sich ausgeschlossen. Tosima geht, Kosima zu suchen, trifft auf II, dann I, die III suchen wollen. Abgang. Von der anderen Seite kommen Kosima und III, Kosima ist versöhnungswillig, III nicht. Kosima nimmt ihn mit ins Hausboot, ist enttäuscht, dass Tosima nicht da ist.
„Was macht ihr denn hier?“
„Wir gehen ja schon.“ Zeichen geschlossener Freundschaft.
I, II und Tosima kommen wieder. Versöhnung der Zwillinge. III will nicht. Galaktika als Quietschbeu, als Stuhlplatziererin.
Bleibt nur noch der Schluss von Szene 4.
Umdenken: Szene 4 endet auf Seite 61 Handschrift. Auf den letzten 15 Seiten sind nicht weitere sechs Szenen unterzubringen. Ob das bis Seite 61 Geschriebene gut ist, sei dahingestellt; Zweifel darüber können jetzt zu keiner Änderung mehr führen, es ist keine Zeit. Notizen über das Mögliche über den Rest:
- Galaktika als dritter Quietschbeu wäre hinreißend. Sehr gut. Vielleicht wäre ein trotzig nicht wollender III gut, den Galy ersetzt, bis ihm klar wird, dass nur er…
- Die Freundschaft, die zwischen Lexi und Nepomuk entsteht.
- Die echte Einsamkeit Kasis, der abgeht.
- Es kommen dann Lexi, Nepomuk, II, I. Es gehen II, I und Tosima. Am Ende kommen alle I, II, III, Zwillinge wieder. Dann aber siehe 1.
- Es fehlt Auflösung Kosima-III. Wenn sie sich versöhnungswillig zeigte, er nicht, sie ihn zum Hausboot mitnähme. Dann bräuchten die nicht suchen gehen oder doch?
© P.P.
Janniks Kommentar:
Am 21. Juli 1980 beendete Peter Podehl die Arbeit an seinem Drehbuch zur Folge Einsamkeit (014), welches er seit Ende Juni konzipierte und sein viertes und letztes Buch für die im Studio Hamburg produzierte zweite Staffel von Hallo Spencer darstellt. Vielleicht außerdem das poetischste Drehbuch dieser Staffel. Podehls Zweifel während der Schreibphase an der „Möbelschiebegeschichte“ mögen in der bloßen Lektüre teilweise nicht nachvollziehbar sein, in ihrer Umsetzung ist diese Episode jedoch so präzise, liebevoll und mit kunstvollstem Gespür für Timing inszeniert, dass sie bis heute nicht nur bei den Fans beliebt ist, sondern auch den Mitwirkenden in eindrucksvoller Erinnerung geblieben. Eva Behrmann, Puppenspielerin des einsamen Zwillings Lisa (bis kurz vor den Dreharbeiten noch „Kosima“), beschrieb anhand einer Szene aus Podehls Einsamkeit den „Charme der kleinen Bewegung“ und wie es sie gleichermaßen verblüffte und beeindruckte, „welche Aura eine Puppe bekam, wenn sie zum Beispiel ohne Worte nur wenig den Kopf senkte oder hob, oder einfach nur dastand“: Es ist eine Szene von großer Zärtlichkeit und Komik, in der sich ein vorsichtiger Flirt zwischen den beiden Einsamen, Lisa und Karl-Gustav, an der Kreuzung zuträgt – hinreißend gespielt von Behrmann und Lorenz Claussen. Sie fragt ihn: „Kannst du dir vorstellen, dass du ‘ne Klingel bist?“ Der Quietschbeu tröstet den aus dem Hausboot verstoßenen Zwilling mit den bedeutungsvoll interpretierten Worten: „Lisa, kein Mensch muss eine Klingel sein.“
Unter Podehls Regie im Herbst abgedreht, wurde Einsamkeit am 19. Dezember 1980 um 18 Uhr erstausgestrahlt. Es ist die einzige Folge dieser Staffel, in der das „Teufelchen“ Nero nicht auftritt.
© Jannik Graf
Claudias Kommentar
Der Podehl war ein Leben lang stolz auf den “Klingel”-Satz. Er hat die Geschichte oftmals zum Besten gegeben und erntete prompt Beifall. Natürlich wusste er die Tempi beim Erzählen immer genauestens zu takten.