Der Spencer-Geschichtenerzähler

Der Spencer-Geschichtenerzähler

Peter Podehl

“Heiße Würstchen!” schreit der Mann am Würstchenstand am Bahnhof – “Heiße Podehl!” schreit etwas weniger laut Fritz zurück. Sohn Peter kichert begeistert.

Podehl’scher Witz meines Großvaters, Fritz Podehl. Er war Dramaturg bei der UFA, suchte ständig nach neuen Stoffen für UFA-Filme und betreute die Ausarbeitung der Drehbücher. Zuhause in Berlin wurde viel rumgesponnen, Wort- und Wörterspiele waren eine tägliche Herausforderung, Theater- und Kinobesuche Gang und Gäbe, die Mutter sprach von Rilke, sang russische Lieder und schickte Peter auf die Steinerschule. Er erzählte, wie er dort zur Kreativität angeleitet wurde, wie er durch Spiel Englisch und andere Fächer lernte. Intuitives Lernen wurde dort bereits vor einem Jahrhundert praktiziert. Als Peter lesen konnte, beschloss er, von nun an alles zu lesen, was ihm unterkam. Gott sei Dank waren damals die Straßen bei weitem nicht so voll mit Reklame und sonstigen Schildern. Und er begann auch zu schreiben. Praktisch hat er alles Erlebte, Gelesene, Aufgeschnappte immer wieder in Geschichten verwandelt. Er wusste vom Nutzen, den der Vater aus guten Geschichten schlug. Er besuchte die Schauspielschule in Berlin und Wien. Er las und schrieb im Krieg, als Soldat, während der Rückkehr aus Italien entstand “Kommen und Gehen“. In Weimar verbrachte er 5 Jahre voller klassischer und moderner Theaterstücke, die endlich wieder frei gespielt werden durften, er schrieb weitere Theaterstücke, in Babelsberg setzte er sich mit dem Kleinen Muck und dem Tapferen Schneiderlein auseinander, arbeitete aber auch viele dramaturgische Vorschläge für DEFA-Filme aus. In München wurden zunächst kleine Filme mit uns Kindern entworfen, geschrieben und gedreht, dann “Aus dem Bücherschrank geholt“, Weltliteratur für Jugendliche. “Der Hase Cäsar” und “Kasper und Rene” waren voller Geschichten, Zini mit “Spaß am Montag” (und dann am Dienstag) ebenso, für “Lemmi und die Schmöker” las er 150 Kinderbücher, schrieb Zusammenfassungen und Szenarien. Zwischendurch sammelte er Märchen aus aller Welt, beschäftigte sich mit Hölderlin, Marie Louise v. Kaschnitz, dem Weltall, dem lieben Gott und seiner Frau, er liebte Goethe. Auch Episoden aus den Biografien solch berühmter Männer und Frauen waren Anstoß für neue Geschichten. Typisch für ihn war die Hörfunksendung “Geschichten auf Bestellung”, wo Kinder vorgaben, wer oder was in einer Geschichte vorkommen sollte, und mehr oder weniger berühmte Leute – sogar der deutsche Außenminister Walter Scheel – dann eine solche Geschichte erfinden mussten.

Peter Podehls dickes Archiv ist übervoll mit kleinen, kurzen, langen, fröhlichen, nachdenklichen, angedeuteten, fertig geschriebenen, zig mal umgeschriebenen, bekannten und unbekannt gebliebenen Geschichten.

*

Für Hallo Spencer

kamen drei Faktoren zusammen, die daraus die erfolgreiche Kindersendung machten, die heute sogar Spencer-Enkel kennt.

Da gab es die gut gebauten, gut sortierten, witzigen, ansprechenden Spencer-Puppen, die Beweger und Geschichten brauchten. Wie die Beweger, sprich PuppenspielerInnen, zusammenkamen, erzählt Lorenz Claussen wundervoll. 

Und dann saßen sie also da, die Puppen und die vom charismatischen Veteranen des Puppenspiels, Friedrich Arndt ausgebildeten SchauspielerInnen, und brauchten Geschichten. 

Die Hamburger Redakteurin Angelika Paetow, die das alles bis hierhin bewegt hatte, holte schließlich Peter Podehl, der gerade etwas unfreiwillig die Lemmi-Produktion abgeschlossen hatte, von der Kölner Redakteurin Monika Paetow, ihrer Schwester, vom WDR zum NDR. 

Als Peter Podehl im Herbst 1979 zu Proben mit dem Spencer-Team nach Hannover gerufen wurde, trug er die in 57 Jahren zusammengetragenen Geschichten und Geschichtsfetzen im Gepäck und hatte zudem umfangreiche Erfahrung mit dem Puppenspiel. Hallo Spencer wurde zur längsten Produktion und auch zum Abschluss seines Berufslebens.

Der sah die ihn erwartungsvoll anblickenden Puppen, die fröhlichen SpielerInnen – “Es kam sofort Sympathie auf,” sagte mir Achim Hall jüngst – tastete, probierte, alberte ein wenig herum, witterte das inspirationsträchtige Potential und begann zu schreiben.

Der Podehl sei leise gewesen, sagt mir Eva Behrmann, nach dem krachigen Ficklscherer sei er erstmal überhaupt nicht aufgefallen.

Er selbst erzählte, er habe dank eben dieser Inspiration bereits am selben Abend im Hotel “so ein paar Zeilen” zu Papier gebracht.

Es bedurfte noch einiger Sendungen konstruktiver Zusammenrauferei, bis im Team jeder seinen Job zubemessen bekam, und die Sendung die von Kindern und Enkeln geliebte Form annahm und sich fortentwickeln konnte. Es ist immer Teamarbeit und das Team muss stimmen. Es hat außerordentliche 15 Jahre lang gestimmt.

Das Spencer Team feiert die 75. Folge (1986)

Im Archiv in unserem römischen Keller befinden sich 146 Folgen, Hallo-Spencer-Geschichten, aus Peter Podehls Feder in die Tastaturen geflossen, die meisten wurden auch unter seiner Regie gedreht.

© Claudia Podehl

Peter Podehls “Unfrisierte Gedanken” von 1980 als Vorbereitung zum Schreiben von Folge AUFRÄUMEN” (da schreibt Poldi eine Postkarte)

Lorenz Claussen berichtet vom TamS-Theater-Quatsch in München

Klaus Naeve berichtet, wie Spencer von Charlotte gestreichelt wurde

Armin Maiwald erzählt von der “Sache mit dem Du und von “Macht doch alle, was ihr wollt!”

Die SpencerEnkel stellen sich vor