Freud und Leid – und zwei letzte Geschichten

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Unsere Todesanzeige vom 11. Oktober 2010, per Email versandt

Freud und Leid – und zwei letzte Geschichten

„Eine Frau, die ein Kind wünscht, ist OK. Eine Frau, die danach dann noch mehr Kinder haben möchte, ist  wunderbar!“ Das war Peters Kommentar zu Lavinias zweiter Schwangerschaft, unserem dritten Enkelchen im Anmarsch.

Am Donnerstag früh hat sein Herz aufgehört zu schlagen. Ich war bei ihm, aber er war schon weit weg.

Die Bestattung fand, wie das hier in Italien üblich ist, gleich am Freitag im allerengsten Familienkreis statt. Er wird eingeäschert. Das war sein Wunsch. Auch Charlottes Grab in München ist bereits aufgelöst. „Das ist nur Asche für mich“, sagte Peter.

Unser Dank gilt Simonetta, Bruno und ihrem Sohn Daniel, die Peter professionell und in wunderbarer Freundschaft in den Jahren hier in Mandela immer wieder auf die Beine gebracht und in diesen letzten Tagen gehegt und gepflegt haben.

Unser Dank gilt ebenso Francesca, die jenseits der  Sauberkeit, für die sie im Hause sorgt, ein wahrhaft großes Herz besitzt.

Unser Dank gilt unserer ganzen großen liebevollen  italienischen Familie, die stets und ohne Pathos präsent war und ist.

Und mein ganz besonderer Dank gilt Gianni, seinem ständigen unermüdlichen Einsatz für mich und Peter. Mit seinen Händen konnte er Peters Hustenanfälle beruhigen und hat die ganze letzte Nacht an seinem Bett gewacht.

Bitte schickt uns möglichst wenig Beileidsbekundungen und möglichst viele schöne und fröhliche Geschichten mit Peter, womöglich auch Charlotte und der Aretinstraße. Wir werden nun den stadtroman.de wieder aufmöbeln und eure Geschichten sollen da reinkommen.

Am 10. November werden wir erfahren, ob unser  3. Enkelchen nun ein Junge oder ein Mädchen ist. Es soll am 20. Mai kommen
Anbei Peters letzte 2 Geschichten.

Baci e abbracci

Claudia mit Gianni
Lavinia mit Pietro (zur Zeit „Pepo“ genannt)  und Giorgio
Irina mit Adriano (der ihn “Nonno Pepa” nennt und nun auf den Fotos nach ihm sucht) und Giordano
P.S.
Wir habens mittlerweile erfahren: Das Enkelchen, das in Lavinias Bauch rumort und Mitte Mai zur Welt kommen soll, ist ein Mädchen. Hurra!!! Bianca soll sie heißen, oder Agnese.

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Er wollte einen neuen Schreibtischsessel

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Geschichte 1

Land der Liebe
Roman

Liebling, was wird aus uns Beede?
Werd ich traurig oder glücklich sein?
Werden sich unsere Wege scheiden
Oder gehen wir ins Land der Liebe ein?
(Deutscher Schlager, fragmentarisch, um 1935)

Ja, gut, gehen wir bedachtsam an:
Über  die  Piazza San Marco in Venedig geht nach eingebrochener Dunkelheit der Knickerfinder. Hier bedarf es zu näherem Verständnis eines Bindestriches:
Knick-Erfinder. Äußerst erfolgreich, seitdem der Strohhalm nicht mehr aus Stroh ist.
So hat er unzähligen Bettlägrigen in aller Welt zu leichterem Trinken verholfen, indem er dem Halm einen Knick verpasste. Nun können sie um die Ecke trinken (während wir immer noch nicht um de Ecke blicken, oder gar schießen können) (es sei denn, wir nehmen eine komplizierte platzfressende Spiegelkonstruktion zu Hilfe).
Da liegen wir also und trinken also. In der Anfangsphase gab es noch gelegentlich kleine Überschwemmungen. Das trinken durch Lufteinziehen soll gelernt sein, ist es aber schnell.
Die Konstruktion des Halms als solchem ist so einfach, dass es nur in der Anfangszeit seiner Existenz ein wenig Nachholbedarf bei Verbesserungen der Konstruktion gab. Heute funktioniert er einwandfrei. Die Tantiemen fließen spärlich aber genügend. Niemand weiß mehr.
Der Knick-Erfinder hat die Piazza San Marco in Venedig überquert und verschwindet auf seinem Nachhauseweg in einer der dunklen Gassen am nördlichen Ende der Piazza.

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Geschichte 2
In der sehr engen und sehr langgezogenen Halle des Clubs der Literaten in der Züricher Altstadt sitzt seit jeher der „Ich-bin-nicht-Stiller“-Schreiber. Nicht weit weg sitzt einer und schreibt „Ich bin nicht Podehl“, x-t aber das ‚nicht‘ radikal aus; er ist Podehl. Vier Tische weiter sitzt Max Frisch und weiß nicht, was er schreiben soll oder will oder möchte oder darf…
Nur mit einem Blick durch den Feldstecher erkennt man am Ende des langgezogenen Raumes einen ältlichen Mann im blauen Frack. Was hat er geschrieben?: „To whom it may concern: Ich bin Goethe !“

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Hierauf bekamen wir viele Erinnerungen:

Die Puppenspieler berichten

Sagten die anderen über ihn

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Peter und der Tod

Peter an Charlotte