Peter über Thomas

***

Thomas Schmidt, der im Defa-Film DIE GESCHICHTGE VOM KLEINEN MUCK die Titelrolle spielte, war der Sohn einer wunderbaren Schauspielerin und eines Arztes; der starb, als Thomas zwei Jahre alt war. Der Stiefvater war Mitautor des Drehbuches und Regieassistent bei Wolfgang Staudte. Er produzierte später in Westdeutschland die Fernsehserien für Kinder LEMMI UND DIE SCHMÖKER und HALLO SPENCER.

Man zweifelte damals, dass ein Kind diese komplizierte Rolle spielen könnte. So machte man Probeaufnahmen mit besonders kleinwüchsigen Schauspielern und Schauspielerinnen, unter anderem auch mit Thomas’ Mutter. Sie war schon vorher überzeugt, nicht die Richtige zu sein. Aber sie nahm Thomas mit zu den Probeaufnahmen und setzte ihm, mehr absichtlich als zufällig den Kostümturban auf den Kopf. So kam Thomas Schmidt zu der Rolle.

Die Mutter wurde vertraglich verpflichtet, alle Texte mit ihm einzustudieren und bei den Aufnahmen dabei zu sein. Thomas schien sehr unkonzentriert, tobte in den oft langen Drehpausen mit seinem Lichtdouble herum und interessierte sich weniger für Kamera und Tonapparatur, und viel mehr für die Elefanten und Kamele, die zur Szenerie gehörten.

Ja, er schien unkonzentriert, war es aber nie. Staudte zweifelte anfangs sehr, dass dieser sich in den Bauten und Stallungen Rumtreibende die schwere Rolle meistern würde. Er meisterte sie mit Bravour. Freilich: er kam aus dem Theatermilieu, hatte wenig Ahnung von bürgerlichen Professionen, übte ein Handwerk aus, das er von seiner Mutter kannte.

Er war elf Jahre alt. Bei den Tränen, die Muck beim Tode seines Vaters weinen musste, half die Maskenbildnerin nach. Aber Thomas schaute in Großaufnahmen entgeistert, wenn Muck es tun musste, er war fröhlich, wenn die Rolle es gebot, er beherrschte die Texte samt Betonungen perfekt. Staudte hatte nie zu irgendwelchen Klagen Anlass.

Die monatelange Arbeit hat Thomas Schmidt fürs ganze Leben geprägt, aber Schauspielerei als Beruf hat ihn nie ernsthaft interessiert. In der Schlusssequenz des Films, als die Eselsohren den halben Hofstaat des Sultans in Aufruhr versetzen, trägt er eine Brille und hält  sich einen Bart ans Kinn und sagt mit verstellt tiefer Stimme: „Ich bin Arzt und heile Auswüchse aller Art.“ Als er starb, war er Professor an der Medizinischen Hochschule Hannover.

© Peter Podehl

Claudia kommentiert:
Charlotte, meine und Thomas’ Mutter, war schließlich für die Vorbereitung der Texte verantwortlich, und da sie nun mal Schauspielerin war, verpasste sie ihm die einzelnen Takes samt Betonung, Gesichtsausdruck und Körpersprache, die er so lange üben musste, bis alles saß.