Die Drehbücher eines Komikers

Die Drehbücher eines Komikers

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Peter Podehl
an die Puppenspieler
vor Beginn der ersten Dreharbeiten
in Hamburg

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Diese Drehbücher hat ein ehemaliger Komiker geschrieben. Ich unterdrücke alle Scham und füge hinzu: ein erfolgreicher Komiker. Ich glaube sagen zu können: ich weiß, wie man Pointen aufbaut, und vor allem, wie man sie zündet. Meistens lachen wir über die Perversion der Logik. 
Und es hat sie ein Dramaturg geschrieben, der sich sehr viele Gedanken gemacht hat über Anfang und Ende jeder Szene, über ihren Ablauf, den Fluss, die Steigerung, die Wiederholungen, Überraschungen, Höhepunkte, auch über Traurigkeiten und Stille, und Wiedererkennen. 

Das Grundmuster scheint mir gut: Spencer will eine Supershow aufmachen und scheitert an den von ihm selbst nicht genügend bedachten Konditionen.

Ich habe eine große Bitte, beim Lernen und Beschäftigen zunächst von den vorliegenden Texten auszugehen. Natürlich sind sie Unterhaltungsware und nicht die Bibel, aber sie stimmen in vielerlei Zusammenhängen untereinander, deren Zerstörung die Qualität der Gesamtsendung beeinträchtigen könnte. Wir können diese Texte verbessern, verschlimmern und verschlimmbessern; wir sollten alles tun, um sie gegebenenfalls nur zu verbessern. Ich erzähle gerne die Geschichte vom Szenenbildner Wolfgang Schünke: Für “Lemmi und die Schmöker” musste immer ein ausführliches Story-Board gemacht werden. Die Sendung war so trickreich, technisch so kompliziert, dass lange vor der Produktion festgelegt werden musste, dass Take 8 am 12. August um 15.00 Uhr mit 3 Kameras und Trick 17 aufgezeichnet werden sollte. Ich wehrte mich anfangs gegen solche schrecklichen Festlegungen. Aber Wolfgang Schünke sagte: “Nur wenn der ganze riesige Stoff einmal bis ins kleinste Detail durchgearbeitet worden ist, kann man später Vieles ändern und frei schalten und walten. Das Chaos bricht aus, wenn diese minuziöse Beschäftigung nicht stattgefunden hat.”  Und er behielt recht. Zum Leidwesen des Aufnahmeleiters haben wir gelegentlich an diesen Plänen rumgegurkt, dass kein Stein mehr auf dem anderen blieb. Aber fast immer sind wir einigermaßen erfolgreich ans Ziel gelangt. Natürlich ist das nur ein Gerüst, das Gebäude entsteht letztlich durch Sie bei der Aufzeichnung. Aber verwechseln wir nicht Gerüst und Gebäude. Vom Gerüst aus können wir das Gebäude anders anmalen, bauen, einrichten. Aber ohne Gerüst gibt es überhaupt kein Gebäude.  
Ich bitte also um Veränderungen der Texte, um pralles Leben in den Schläuchen, um Zischen und alle Zusätze, ich wehre mich nur gegen Zerstörungen, und, wie gesagt, gegen die Verschlimmbesserungen.
Noch ein Hinweis auf ein Hilfsmittel: Stanislawsky. Ich will keine offenen Türen einrennen, aber mancher von Ihnen kennt ihn vielleicht nicht. Er war der Chef des um die Jahrhundertwende hochberühmten Moskauer Künstler-Theaters und hat viel gearbeitet und geschrieben über die Psychotechnik der Schauspielerei. Eine seiner wichtigsten Forderungen: der Schauspieler möge sich im Augenblick des Auftritts so genau als irgend möglich klarmachen, woher er kommt und was er will. Ganz simpel gesagt: es ist ein Unterschied, ob ich von einem Unfallort kommend einer Mutter Mitteilung machen muss von der schweren Verletzung ihres Sohnes, oder ob ich nach angenehm verbrachtem Tag am Abend bei meiner Geliebten geklingelt habe, und ihr einen Strauß Rosen überreiche, den ich von einem Blumenmädchen gekauft habe, das auch meine Geliebte ist. In dieser Beziehung ist kein Unterschied zwischen Tschechows ‘Turgenjew’ und ‘Hallo Spencer’. Mit buchstäblich gemischten Gefühlen kommt man zu Spencer, wenn man Poldi an seinem Geburtstag nicht allein lassen will, aber Angst hat, zu ihm zu gehen, weil er einen fressen will. Das ist eine ganz eindeutige psychische Gestimmtheit. 

Zur Praxis: Wir wollen im Gegensatz zu Hannover alles tun, um buchchronologisch aufzuzeichnen. Dies auch rein technisch im sogenannten Ad-On-Verfahren, wo die Aufzeichnung eines Takes direkt an den vorher aufgezeichneten Take angeschnitten wird. Das bedeutet aber nicht, dass Wiederholungen wie bei jeder anderen Aufzeichnung unmöglich sind. 
Im Idealfall ist nach 3 1/2 Tagen die Sendung auf dem Band. 
Das bedeutet zum Beispiel Entlastung für Achim, der nicht Moderation für Moderation hintereinander weg produzieren muss. 
Es erfordert aber von uns allen einige Disziplin. Bitte machen Sie sich mit dem Ablauf vertraut, so dass keine Missverständnisse aufkommen, wer als nächstes mit welcher Szene dran ist. Wir haben einen Raum zum Vorsprechen des Textes. Ich bitte herzlichst, ihn nicht zum Konversations-, Rauch- und Ess- und Trinkzimmer verkommen zu lassen. Dazu ist in der Garderobe genug Platz. Hier sollen die, die in der Szene nach der im Studio gerade laufenden Szene drankommen, die Texte vorprobieren. Ich möchte am Anfang immer dabei sein, damit wir über den Ablauf, Stimmungen, Auffassungen und eventuelle Änderungen Klarheit schaffen. Wir sind uns einig, dass das nicht immer reibungslos gehen wird. Wenn Benni in einer Szene Spencers Hände macht, und in der nächsten selber drankommt, kann er sich nicht zweiteilen. Während ich dann im Studio die vorherige Szene aufzeichne, bitte ich um selbstständige Textproben in diesem Zimmer. Es gibt in den Büchern einige vertrackte Text-Passagen, die nur wirksam werden können, wenn die Texte wörtlich stimmen, es gibt andere Passagen, bei denen die Wörtlichkeit nicht so wichtig ist. Aber für die ersten bitte ich um viel Einstudierung, und um Auswendiglernen, bevor wir zu proben beginnen. Der an der Spielleiste angeheftete Text mag psychologische Sicherheit geben. Er ist aber auch eine Gefahr, und für Klapp-Klapp-Sätze ist er untauglich. Sie wissen, dass Sie zur Puppe schauen müssen, die Hauptmonitore hängen übrigens oben und sind seitenverkehrt. Lernen Sie nicht zu viel zuvor, am besten vermutlich von Tag zu Tag. Sie entlasten mich, und helfen zu guter, oder sagen wir: unproblematischer Atmosphäre im Studio, wenn wir da unten nicht an schlecht gelerntem Text oder an Text-Nuancen rumbasteln. Wenn es notwendig ist, tun wir das natürlich auch. Der Übergang Probenzimmer – Studio ist schlimm genug. Da prallen die Interessen aufeinander und auseinander. Kein Kameramann oder Tonassistent ist an der Betonung eines Satzes interessiert, der Geräuschemacher braucht noch eine Probe, das Interesse des Aufnahmeleiters heißt Fertigwerden, wie gut oder schlecht auch immer. Sie kennen das. Setzen wir uns alle ein, die Reibungsverluste so gering als möglich zu halten.

Der Spencer-Geschichtenerzähler

Peter Podehls “Unfrisierte Gedanken” von April 1980

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