Charlottes Theater

von Peter verfasst, wohl kurz nach ihrem Tod am 30. Dezember 1999, 36 Stunden vor Jahrtausendende.

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Ich habe Charlotte nie auf der Bühne erlebt. Aber sie hatte all diese bedeutenden Frauenrollen aufgesogen, und sie waren Teil ihrer – dementsprechend komplexen – Persönlichkeit geworden.

Dieses CV ist noch unvollständig, und wohl teilweise auch nicht ganz präzise: Emelina ist eine Rolle aus dem “Kaufmann von Venedig”, nicht aus der “Komödie der Irrungen”, aber ich weiß vorläufig noch nicht, ob sie nun eine Emelina aus dem Kaufmann gespielt hat, oder eine Rolle in der Komödie der Irrungen.

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Charlotte Dora Ulbrich

geboren 30.5.1912 in Jena, Thüringen, Deutschland
Mutter: Maria Ulbrich, geborene Pleschinger, gestorben 39jährig an Typhus 1915 in Jena (Typhus-Epidemie)
Vater: Friedrich Anton Ulbrich
Stiefmutter: Martha Ulbrich, geborene Günther, geboren in Ballenstedt, Schneiderin
Geschwister: Lydia (möglicherweise uneheliches Kind von anderem Vater, war 2 Jahre alt, als Fritz Ulbrich die Mutter heiratete ), Gertrud, geboren 1900?, Ludwig, geboren 1906, Hilde geboren 1921 (Halbschwester, Mutter Martha Günther)

Heirat 1939 mit Dr. Otto Bernhard Eugen Schmidt, Frauenarzt und Geburtshelfer, verstorben am 23. Oktober 1944 in Stendal
Geburt des Sohnes Thomas Friedrich Herman Schmidt am 23. Februar 1942

Heirat mit Peter Leonid Podehl (Schauspieler Autor) in Weimar (Jacobskirche) am 10. Mai 1948
Geburt der Tochter Claudia Beate Podehl am 20. November 1948 in Jena

Berufliche Laufbahn

1929-1933
Gera, Reußisches Theater,
Elevin als Tänzerin, später Schauspielerin
Intendant: Carl Rosen, Oscar Fritz Schuh (Opernregisseur), Carl Pschigode (Schauspieler)
Rollen:
Prinzessin Huschewind (Märchen)
Peterchen in “Peterschens Mondfahrt”
nicht näher definierte ‘Hauptrolle’ (Liesl?) in “Wenn die kleinen Veilchen blühen”, Singspiel von Robert Stolz

1933/34
Aachen, Stadt-Theater
Intendant: Sioli (ging später nach Danzig und wollte sie mitnehmen, was Otto Schmidt aber nicht wollte), danach Groß, dort zeitweise tätig auch Herbert von Karajan
Rollen
Emelina in “Die Komödie der Irrungen” von Shakespeare in der Fassung von Roth;
Hilde in “Hilde und die 4 PS” – Boulevardkomödie von Kurt Sellnick;
Beginn der Freundschaft mit Gerdamaria Terno (heiratete später Prof. Hans Schwippert), später Patentante von Thomas;
Zelima in “Turandot” von Friedrich Schiller, das Publikum klatschte, sobald sie auftrat

1934 /35
Ulm, Theater der Stadt
Intendant: Dr. Bauer
Rollen
Pygmalion in “Pygmalion” von G.B.Shaw
Käthchen in “Käthchen von Heilbronn ” von H.v.Kleist

1935/36  
Stuttgart, Staatstheater
Intendant: Deharde
Rollen:
Pygmalion in “Pygmalion” von G.B.Shaw
Ophelia in “Hamlet” von Shakespeare, in 2 Gastspielen war Gustav Gründgens Hamlet

1936/37
Hamburg, Thalia-Theater, 
Intendant: Paul Mundorf
Chefdramaturg und Oberspielleiter: Hans-Robert Bortfeld
Rollen:
Gertrud, in “Der goldene Kranz” von Jochen Huth
Monica Trall, in “Blitze aus heiterem Himmel” von Alf Teichs
Anni, in “IA in Oberbayern” von Hans Fritz
Lotte Waag, in “Die vier Gesellen” von Jochen Huth
Helene, in “Der Hakim weiß das” von Rolf Lauckner
Judith, in “Totentanz” von August Strindberg
Jasmin (Negerpage), in “Das goldene Kalb” von Alain René Le Sage
Loni Hofer, in “Paul und der Sündenfall”, musikalischer Schwank von Hans Müller

1946-1950
Weimar, Nationaltheater
Intendant: Hans-Robert Bortfeld
Chefdramaturg: Helmut Spieß
Rollen:
1946
Tanja, in “Tanja, die zweite Geburt” von Alexej Arbusow
1947
Rosalinde, in “Wie es euch gefällt” von W. Shakespeare
Nora, in “Nora” von Henrik Ibsen
Tai Yang, in “Tai Yang erwacht” von Friedrich Wolf; Peters Kommentar: schlechtes Stück mit Propagandagequatsche
Barbara Undershaft, in “Major Barabara” von G.B.Shaw
Minerva Müller, in “Familientheater” von Peter Podehl, mit Foto von Sohn Thomas als Baby auf der Titelseite des Programmheftes 
1947/48
Eva, in “Kommen und Gehen” von Peter Podehl
Madame Legros, in “Madame Legros” von Heinrich Mann,
Kommentar von Peter: Mutti war schwanger mit Claudia bei den Proben und Aufführung und musste immer spucken wegen extrem vermehrtem Speichelfluss, deshalb hatte sie immer eine Tasse bei sich.
1948/49
Ariel (Luftgeist),  in “Faust II” von J.W. Goehte
Puck, in “Sommernachtstraum” von W. Shakespeare
1949/50
Maria Stuart, in “Maria Stuart” von F. Schiller
Donna Diana, in “Donna Diana” von Moreto
Anna, in “Karl der Dritte und Anna von Österreich” von Rössler

1952
Nürnberg, Städtische Bühnen
Intendant: Carl Pschigode
Letztes Gastspiel
Colombe, in “Colombe” von Jean Anouilh
Inszenierung: Fischel

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Danach stand Charlotte nie wieder auf einer Theaterbühne

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Hiermit endet Peters aus der Erinnerung geschriebenes Curriculum Vitae.

Ein Anderes von Anfang der ’50er nennt nur einfach folgende Rollen, die sie im Repertoire hat. Es ist an Insider der Theaterwelt gerichtet, ohne weitere Erklärungen. (Die Autoren habe ich hinzugefügt). Da gesellen sich noch ein paar weitere Charaktere hinzu:

Jugendliches Charakterfach

Caesar und Cleopatra – Cleopatra (v. George Bernhard Shaw)
Colombe – Colombe (v. Jean Anouilh)
Cyprienne – Cyprienne (v. Victorien Sardou)
Der seidene Schuh – Proeza (v. Paul Claudel)
Die Ehe des Herrn Mississippi – Anastasia (v. Friedrich Dürrenmatt)
Die heilige Johanna – Johanna (v. George Bernard Shaw)
Donna Diana – Diana (v. Augustin Moreto)
Heutzutage mit 18 Jahren (Ferdinand) – Mademoiselle Bravard
Karl III. und Anna von Österreich – Anna (v. Manfried Rössner)
Lysistrata – Lysistrata (v. Aristophanes)
Madame Legros – Madame Legros (v. Heinrich Mann)
Major Barbara – Barbara Undershaft (v. George Bernard Shaw)
Maria Stuart – Maria Stuart (v. Friedrich Schiller)
Die Wirtin- Mirandolina (v. Carlo Goldoni)
Nora – Nora (v. Henrik Ibsen)
Pygmalion – Elisabeth Doolittle (v. George Bernard Shaw)
Sommernachtstraum – Puck (v. William Shakespeare)
Wie es euch gefällt – Rosalinde (v. William Shakespeare)

© C.P.