Folge 87

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Die Unbekannte
Die Geheimnisvolle
Die Verlorene

Folge 87
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„Wenn nicht in kurzer Zeit ein Medikament gefunden wird,
dann werde ich sterben.
Eigentlich bin ich noch nicht in dem Alter,
um dafür bereit zu sein.”

schrieb Kasi-Spieler
Herbert Langemann, 1986

SpencerEnkel Sven Lutzka berichtet:

Die „verlorene“ Spencer-Folge „Kasi braucht Hilfe“

Die 87. Runddorffolge der Kultserie Hallo Spencer wurde niemals fertiggestellt und ausgestrahlt. Neues Interesse an dieser „verlorenen“ Episode wurde bei Hallo-Spencer-Fans nicht zuletzt durch den von Jan Böhmermann produzierten Film geweckt. Nach noch nicht einmal zehn Filmminuten begegnet dem Zuschauer in einer Art Traumsequenz ein völlig aufgelöster Kasimir, der in dem stark heruntergekommenen Spencer-Dorf keinen einzigen Bewohner finden kann, so dass er am Ende der Sequenz völlig erschöpft und verzweifelt in die Kamera spricht: „Sind sie gestorben? Bin ich gestorben? Kasi braucht Hilfe!“ Kennern der ursprünglichen Serie ist sofort klar, dass diese Worte Kasimir nicht zufällig in den Mund gelegt wurden: Als die 87. Folge „Kasi braucht Hilfe“ 1986 abgedreht werden sollte, war der damalige Puppenspieler von Kasimir, Herbert Langemann (1950-1987), schwer erkrankt, so dass die Episode nicht fertiggestellt werden konnte. Bis heute verrät über den Inhalt der Folge ein Eintrag in der online-Lexiklopedia nur wenige Einzelheiten:

„Es „herbstelt“ mal wieder im Dorf und die Herbstmode ist bei den Zwillingen in vollem Gange. Für ihre selbstgenähten Blusen wollen sie den hilfsbereiten Kasi beauftragen, zweimal die gleichen Blätter als Applikationen zu suchen. Der ist aber gar nicht zu Hause, sondern singt beim SOS-Hilfe-Song der Quietschbeus mit.“ (Text: Lexiklopedia)

Spencer-Fans und -Interessierte dürfen sich freuen! Am 29. Januar 2025 wäre der Kasimir-Puppenspieler Herbert Langemann 75 Jahre alt geworden. Grund genug, das Geheimnis um die „verlorene“ Spencer-Runddorffolge zu lüften! An diesem Tag erscheint an dieser Stelle das Szenarium zur Hallo-Spencer-Folge „Kasi braucht Hilfe“ aus der Feder von Peter Podehl. Drehbuch und “unfrisierte Gedanken” für die, die es ganz genau wissen wollen, folgen in Kürze. Und so viel kann schon jetzt verraten werden: Spencer-Fans werden auf ihre Kosten kommen, wenn sie etwa Dialoge wie beispielsweise der Zwillinge vor ihrem geistigen Auge in Szene setzen:

Mona: Die schicksten Herbstblusen, die es jemals gegeben hat! …
Lisa: Ja! Und oben links nähen wir noch eine Appli – also sowas drauf.
Mona: Wo willst du einen Appel draufnähn?
Lisa: Doch keinen Appel. So eine Verzierung. Wie heißt denn das, Lulu?
Lulu: Applikation heißt das. Ja, finde ich sehr gut!

Trivia zur Folge „Kasi braucht Hilfe“

  • Im Produktionsjahr der Folge hätte der Kasimir-Spieler Herbert Langemann im realen Leben selbst Hilfe benötigt. Mitte der 1980er Jahre infiziert sich Herbert Langemann mit dem HI-Virus. In den Jahren 1985-87 erschweren opportunistische Infektionen die Bewältigung sowohl des alltäglichen wie beruflichen Lebens. 1986 gelingt dem Todkranken durch die Besetzung der Großpuppe Samson in der Sesamstraße die Erfüllung seines beruflichen Traums. Nur ein Jahr später stirbt Herbert Langemann an AIDS. Am 30.06.1986 notiert Herbert Langemann folgende Zeilen: „Wenn nicht in kurzer Zeit ein Medikament gefunden wird, dann werde ich sterben. Eigentlich bin ich noch nicht in dem Alter um dafür bereit zu sein. [sic.]“
  • Peter Podehl wusste, dass Herbert Langemann schwer erkrankt war. Vielleicht hat er das Drehbuch Kasimir „auf den Leib“ geschrieben. Am Abend des Todestages von Herbert Langemann, am 29. November 1987, notiert Podehl folgende Zeilen in seinem Tagebuch: „Woraus die Welt sich zusammensetzt: Um 5:00 heute morgen starb Herbert Langemann, der Unglückliche. Er spielte den Kasi und war als Kasi außergewöhnlich gut. In der DDR ausgebildeter Puppenspieler-Profi. Vieles spricht dafür, dass er Aids hatte; es macht wenig Unterschied, dass wir nur von seinem Hautkrebs wussten. Schon im vorigen Jahr machte seine Krankheit der Produktion viele Sorgen. In diesem Jahr wieder. Ich sah ihn Anfang September zum letzten Mal. Es tat im Herzen weh.“
  • Herbert Langemann, der wusste, dass er aufgrund seiner Erkrankung nicht mehr lange zu leben hatte, verabschiedete sich am 14. August 1986 mit einem Kasi-Fotobüchlein bei Peter Podehl mit den Worten: „Ich danke Ihnen von ganzem Herzen.“ Auch von seinen Puppenspielkolleginnen und -kollegen verabschiedete sich Langemann mit einem Brief, in dem er sich für die gemeinsame Arbeit herzlich bedankt und mit den Worten endet „Grüßt mir Kasimir, und der Nachfolger soll lieb zu ihm sein.“
  • Dass die Folge nicht fertiggestellt werden konnte, lag nicht ausschließlich an der Erkrankung Langemanns. In einem Tonbandtagebucheintrag vom 9. April 1987 erläutert Langemann hierzu: „Leider erwischte mich da am Ende der Drehzeit wieder meine Krankheit, so dass drei Folgen nicht beendet werden konnten. Während dieser Drehzeit verabschiedete sich von uns Peter Podehl, der kaum noch als Regisseur zur Verfügung stehen wird. Das ist sehr bedauerlich, da Peter Podehl von den Regisseuren, die wir bis jetzt hatten, einfach der beste und der tollste und der, ja, am meisten Fingerspitzengefühl hatte für die Puppen und für uns als Spieler. Schade, dass er aufhört. 1987 will er die drei Folgen, die wir nicht zu Ende drehen konnten, auch wegen meiner Krankheit, zu Ende drehen. […] Auch andere Mitspieler sind erkrankt, z.B. Achim Hall, Maria Ilic, so dass die Tatsache, das drei Folgen nicht zu Ende gedreht werden konnten, nicht nur an mir lag.“
  • In dem von Jan Böhmermann produzierten Hallo Spencer – Der Film wird insgesamt dreimal an Herbert Langemann erinnert. Neben der direkten Anspielung auf die „verlorene“ 87. Hallo-Spencer-Folge erinnert die Figur des Jakob Sesam an Herbert Langemann, der 1987 an den Folgen einer Infektion mit dem HI-Virus verstorben war. Dabei erinnert er an den 1991 ebenfalls an AIDS verstorbenen Wilhelm Helmrich. Im Abspann des Films wird ein Foto von Herbert Langemann mit seinem Kasimir eingeblendet.

© Sven Lutzka
Januar 2025

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